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Titel:Die gezwiebelte Bussgeldkeule
Inhalt:Seit dem 1.4.2004 gilt ein neuer Bussgeldkatalog mit erheblich angehobenen Geldbußen. Selbst Radfahrer, die eine rote Ampel missachten, sind mit 25 EUR dabei; und wenn ein Kraftfahrer mal schnell, aber gefährlich bei "Rot" noch durchhuscht, kostet das schlappe 125 EUR, drei Punkte in Flensburg und einen Monat Fahrverbot.

Die technischen Überwachungsanlagen sind inzwische auch so ausgereift, dass die Beweislage für die Betroffenen erdrückend sein kann. Allerdings muss die Identität des verdächtigten Fahrers ermittelt werden, und da zwiebeln die Ermittlungsbehörden zunächst den Halter des Fahrzeugs mit nachdrücklichen Informationswünschen zu der Person des Fahrers des Fahrzeugs, von dem bis dahin nur das Kennzeichen bekannt ist und vielleicht ein beeindruckend scharfes Foto vorliegt.

Bis der Fahrer also ermittelt ist, kann einige Zeit vergehen. Wenn der Fahrer dann feststeht und mit der Beweislage konfrontiert wird, fällt ihm schließlich nur noch das Argument "Verjährung" ein. Bei Bussgeld-Tatbeständen im Straßenverkehr gilt eine gegenüber einer regulären 6-Monats- Frist (§ 31 OWiG) verkürzte Verjährungsfrist: "Die Frist der Verfolgungsverjährung beträgt bei Ordnungswidrigkeiten ... drei Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach sechs Monate." (§ 26 Absatz 3 StVG)

Nun stellt sich für unseren besorgten betroffenen Rotlich-Fahrer die entscheidende Frage: Wann wird diese Frist unterbrochen? Voreilige werden meinen, mit dem Bussgeldbescheid, steht doch in § 26 StVG! Da aber der Gesetzgeber seine Beamten und deren Arbeitsüberlastung kennt, hat er sich eine feine, für das Arbeitstempo der Behörde komfortabele Regelung ausgedacht und in § 33 OWiG folgendes hineingeschrieben: "Die Verjährung wird unterbrochen durch die erste Vernehmung des Betroffenen, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe..."

Sie verstehen: Bereits die Anordnung, also ein Aktenvermerk der Behörde, dass dem Betroffenen nund mal endlich demnächst zu eröffnen sei, dass ein Ermittlungsverfahreren gegen ihn schwebt und er vielleicht auch vernommen werden solle, reicht aus! Unser besorgter betroffener Rotlichtfahrer sollte also nicht zu früh "Hurra" rufen, wenn ihn sein Freund und Helfer, die Polizei, erst nach drei Monaten meist schriftlich informiert; dass heißt noch lange nicht "Verjährung"!

Allerdings sind die Anforderungen an derartige Schreiben nicht gering. Das Amtsgericht Stralsund hat in seiner Entscheidung vom 4.3.2004 (92 OWI 1031/03) den Ermittlungsbehörden erläutert, wie die Zustellung eines die Verjährung unterbrechenden Bußgeldbescheides auszusehen habe. Dabei wirft der Amtsrichter nicht nur einen Blick auf das Schreiben, sondern insbesondere auf den Briefumschlag: "Ist das Geschäftszeichen der Behörde nicht auf dem Briefkuvert, mit welchem der Bussgeldbescheid in den Machtbereich des Empfängers verbracht wurde, vermerkt, so läuft die Verjährungsfrist weiter...Bei einer Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde ist der Umschlag mit dem für den Empfänger bestimmten Schriftstück mit dessen Anschrift, der Bezeichnung der absendenden Behörde sowie einer Geschäftsnummer, die mit der auf der Zustellungsurkunde identisch sein muss, zu versehen. Die vorgeschriebenen Angaben auf der Sendung sind Wirksamkeitserfordernisse der Zustellung. Die Angabe der Geschäftsnummer ist erforderlich, weil die Zustellungsurkunde nicht die Übergabe des Schriftstücks selbst bezeugt, sondern nur die Übergabe einer mit einer Geschäftsnummer bezeichneten Sendung und die Angabe der Geschäftsnummer auf der Sendung und in der Postzustellungsurkunde die einzige Beziehung zwischen dieser und dem zuzustellenden Schriftstück herstellt..."

Bisher nichr gerichtlich geklärt ist die spannende Frage, ob diese Grundsätze auch auf einen Anhörungsbogen oder ein sonstiges, das Ermittlungsverfahren bekanntgebendes Schreiben anwendbar sind. Das Urteil des Amtsgerichts Stralsund kann jedenfalls als "Zwiebel" dienen, mit der man eine Bussgeldkeule einreiben kann. Dass solches Tun die Zerbrechlichkeit von Züchtigungswerkzeugen fördert, haben jedenfalls schon Erstklässler geglaubt, als Lehrer längst vergangener Tage noch einen Rohrstock in Griffweite hatten.
Rechtsvorschrift:§§ 26 StVG, 33 OwiG
Datum:17.11.04
Verfasser:Thomas Breitenbach
Fundstelle: 
e-mail:thomas@anwaltsbuero.com


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