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Titel:Kopulierende Häschen
Inhalt:Bekanntermaßen ist es ureigenste Aufgaben der Justiz, sich mit allen Schattierungen menschlicher Konflikte zu beschäftigen, so sie den angerufen wird. Bei aller Feinsinnigkeit und Objektivität forensischer Kunst finden sich gelegentlich -und das ist gut so- in einem Urteil Anzeichen auch hochrichterlicher Ungeduld ob der uneinsichtigen Streitbarkeit rechtsuchender Parteien. So hatte sich das kürzlich ausgerechnet das Hanseatische Oberlandesgericht mit der Klage eines Designers zu befassen, der von der Beklagten einen Verkaufs-Stop seiner Handy-Logos. Er behauptete, dass er einen Teil der Logos, die die Beklagte im Internet zum Herunterladen aufs Handy anbietet, geschaffen habe und die Beklagte sich diese rechtswidrig angeeignet habe. Zur rechtlichen Begründung seiner Anträge stützte er sich auf urheber- und wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlagen; außerdem meinte er, dass ein rechtswidriger Eingriff in seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliege.

Das Hamburger Landgericht hatte sich bereits von der Kunst des Designers nicht beeindrucken lassen und in die Klage abgewiesen. Im Rahmen der künstlerischen Berufung zeigte sich das Oberlandesgericht bereits in der Einleitung der Berufungsbegründung ebenso unbeeindruckt: "Zu Recht und mit überzeugender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen...". Und dann schimmert doch zwischen vornehmer hanseatischer Zurückhaltung und gediegener Sachlichkeit eine gewisse Ungeduld der Richter über die unverschämte Leichtigkeit künstlerischen Seins hindurch, mit der der Kläger oberlandesgerichtrichterliche Arbeitskraft bindet:

"Zur bildenden Kunst gehört jeder Gegenstand, der einen das ästhetische Empfinden ansprechenden Gehalt durch die Gestaltung von Flächen, Körpern oder Räumen ausdrückt... Vorliegend handelt es sich um kleine Bilder, mit denen Flächen, nämlich die Displays von Handys, in bestimmter Weise gestaltet werden. Dass dies mit Hilfe einer speziellen Software geschieht, mithin digital, steht einer grundsätzlich möglichen Einordnung als bildende Kunst nicht entgegen...mit dem Landgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass die hier in Rede stehenden Handy-Logos nicht einmal den Anforderungen der sog. Kleinen Münze genügen. Sie weisen keine ausreichende Eigentümlichkeit auf, um sie als Werke der bildenden Kunst anerkennen zu können...
Die "Kopulierenden Häschen" sind in der Anlage K 1 schon nicht komplett abgebildet, sondern nur abgeschnitten. Soweit man es erkennen kann, sind sie zwar durch dunklere Schattierungen plastisch gestaltet, im übrigen aber nur umrisshaft gezeichnet und ohne erkennbare Individualität...Schließlich zeigen die sonstigen Tierdarstellungen im Logo-Sortiment der Beklagten..., dass Tierdarstellungen in großer Zahl als Logos Verwendung finden und die "kopulierenden Häschen" auch im Vergleich dazu keine das Alltägliche überragende Eigentümlichkeit aufweisen. Die "Drei Häschen" in einem weiteren Logo sind noch einfacher und schematischer gestaltet als die "Kopulierenden Häschen" und daher erst recht nicht urheberrechtsschutzfähig."

Bemerken Sie bitte die feine Nuancierung der richterlichen Formulierung: Häschen sind, auch wenn sie selbst beim Kopulieren keine das Alltägliche überragende Eigentümlichkeit aufweisen, in ihrer natürlichen Umgebung (natur-)schutzfähig, nicht aber urheberrechtsschutzfähig! Auch sonst kennen sich die Richter in der Natur aus:

"Bei dem Bärenpaar "Eisbär und Panda" verweist der Kläger auf die Originalität der Kombination der beiden Bären, die sich in der Natur nicht begegneten. Dieser Bewertung steht schon entgegen, dass der als "Eisbär" bezeichnete Bär nicht als solcher zu erkennen ist, sondern es sich um eine Art Teddybären handelt, der aber auch nur in Umrissen und ohne nähere Gestaltung der Gesichtszüge oder Mimik dargestellt ist. Für den Pandabären gilt nichts anderes. Insgesamt besteht das Bild damit aus vorbekannten Formen, in sehr einfacher und reduzierten Darstellung ohne irgendwelche Individualität der beiden Bärenfiguren. Für die Anerkennung als bildende Kunst reicht auch diese Darstellung nicht aus. Die Einzelbären mit den Schriftzügen "komm Kuscheln", "Sorry" und "vermisse Dich" sind ebenfalls so einfach ausgeführt, dass ein Werk der bildenden Kunst nicht angenommen werden kann. Der Bär des Logos "hey Babe" hat ein Gesicht nach Art einer Comic-Figur mit übergroßen Augen, kreisrunder Clownsnase und Pausbacken. Sämtliche Elemente sind für Comic-Tierfiguren typisch und sind in ihrer konkreten Gestaltung gleichfalls ohne hinreichende Eigentümlichkeit."

Bei der richterlichen Argumentation zur engelhaften Darstellung klägerischer Augenkreationen spürt man förmlich die Aufforderung der Richter "Schau mir in die Augen, Kleiner":
"Bei den Augenpaaren hat der Kläger vor allem das Logo "angeleyes" problematisiert. Durch die Schrägstellung der Augen, die hierauf befindlichen Lichtpunkte und die Schattierungen mag dieses Logo in der Tat zu den qualitativ Besseren der verschiedenen Logos mit Gesichtern und Augenpaaren zählen, wie sie sich aus der Anlage K 1 ergeben. Andererseits ragt das Logo auch nicht heraus und ist ihm - wie auch den anderen Logos zu diesem Themenkreis - keinerlei Individualität oder Ausdruckskraft eigen, die etwa auf Charakterzüge, Stimmungslage oder sonstige Eigenart des Menschen schließen ließe, dessen Augen abgebildet sind. Die Darstellung wirkt auf den Betrachter gänzlich unpersönlich. Das lässt sich mit der angewandten Technik vielleicht auch gar nicht anders bewerkstelligen. Die zu diesem Logo in der Senatssitzung eingereichte Vergrößerung belegt, dass die Herstellung aus Bildpunkten handwerklich durchaus nicht anspruchslos und möglicherweise auch zeitaufwendig sein mag - in welcher Weise die hierbei unstreitig eingesetzte Software behilflich ist, haben die Parteien allerdings nicht näher erläutert . Für die Einordnung als Kunstwerk ist aber nur das Ergebnis entscheidend, wie es dem Betrachter gegenüber tritt, nicht der Arbeitsaufwand, der zu seiner Herstellung erforderlich war. Das erzielte Leistungsergebnis hält der Senat jedoch - ebenso wie das Landgericht - nicht für hinreichend eigentümlich, um ihm den Schutz der Kleinen Münze zusprechen zu können."

Auch die Unterstützung durch seine Altvorderen hat dem Kläger nichts genutzt:
"Die anderen Augenpaare, die nach dem Foto der Großeltern des Klägers geschaffen worden sein sollen ( K 7 ), sind noch weniger gestaltet als die "angeleyes" . Das Logo "omaundopa" , dem dasselbe Foto zugrunde liegen soll, ist in der Anlage K 1 kaum erkennbar. Hierzu hat der Kläger in der Senatssitzung allerdings eine Vergrößerung eingereicht, die zwei Gesichter vor dunklem Hintergrund schemenhaft erkennen lässt. Auch aus dieser Vergrößerung wird deutlich, dass der Versuch einer Umsetzung des Fotos K 7 in Bildpunkte möglicherweise aufwendig gewesen sein mag. Als Ergebnis sind jedoch nur maskenhafte Gesichtszüge ohne Individualität und Ausdruckskraft erzielt worden, die der Senat ebenfalls nicht als schutzfähig gemäß § 2 UrhG anzuerkennen vermag."

Und auch sportliche Gesichtspunkte -die vielleicht den Kläger zu der Ehrenrunde vor dem Oberlandesgericht veranlasst haben- und Fußabdrücke lassen die Richter kalt:
"Zum Logo "Icehockey" : Weder der Schriftzug noch der Icehockey-Spieler, der aus wenigen Strichen dargestellt ist und - wie die Berufung selbst einräumt - nur erahnt werden kann, erfüllt die Anforderungen der Kleinen Münze.
Die verschiedenen menschlichen Fußabdrücke sind ebenfalls zu schlicht, um einen Werkcharakter annehmen zu können. Die bloße Stellung der Füße zueinander mag zwar daran denken lassen, dass sie sich liebenden Paaren gehören. Diese Assoziation macht die einfache Wiedergabe von vier oder sechs Fußabdrücken aber noch nicht selbst zum Werk der bildenden Kunst."
Bemerken Sie bitte hier die feinsinnigen assoziativen Fähigkeiten hanseatischer Richter! Und unterschätzen Sie die Justiz nicht: Die versteht was von Kunst!
Rechtsvorschrift:§ 2 UrhG
Datum:14.7.04
Verfasser:Thomas Breitenbach
Fundstelle: 
e-mail:thomas@anwaltsbuero.com


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